Joel Grodowski (SC Preußen) erzählt im Interview von seiner außergewöhnlichen Laufbahn

„DA KRIBBELN DIR AUF DER TRIBÜNE AUCH DIE FÜSSE

Joel Grodowski hat zwei unglaubliche Jahre hinter sich. Schon in der Jugend hatten große Vereine das 21-jährige Fußball-Talent auf dem Zettel. Doch der gebürtige Selmer wollte lieber mit seinen Freunden kicken, wechselte mit 17 Jahren zum PSV Bork in die Kreisliga A. Zwei Jahre später unterschrieb er in England seinen ersten Profivertrag. Jetzt spielt er bei Preußen Münster in der 3. Liga. Wir haben mit dem Stürmer über seinen außergewöhnlichen Weg und seine ersten Schritte im Profifußball gesprochen.

Von der Kreisliga in die englische Profiliga. Danach über die Oberliga Westfalen in die 3. Liga. Klingt ein bisschen nach Fußballmärchen.

Joel Grodowski: Das stimmt. Ich habe damals schon gesagt, dass der Sprung in die englische dritte Liga geklappt hat, war ein riesen Schritt. Und es war sicherlich auch ein bisschen Glück dabei, dass ich so viele Tore in der Kreisliga geschossen habe. Als ich mit 17 in die Kreisliga gegangen bin, habe ich auch gar nicht mehr damit gerechnet, dass der Schritt Richtung Profi überhaupt noch möglich ist.

Wie kam es dann dazu?

Grodowski: Nachdem ich so viele Tore geschossen hatte, durfte ich bei der U23 des BVB ein Probetraining absolvieren. Dadurch sind auch andere auf mich aufmerksam geworden. Das Bradford City mir dann die Chance gegeben hat, war echt eine geile Sache. Ich habe aber immer gesagt, dass es mein Ziel ist, in Deutschland Fußball zu spielen. Deswegen habe ich den Schritt zurück gemacht, obwohl Bradford verlängern wollte.

Ein Schritt zurück bedeutete die Oberliga Westfalen. Wieso ist es die Hammer Spielvereinigung geworden?

Grodowski: Ich kannte den damaligen Co-Trainer Alexander Lüggert. Mit ihm war ich auch in England in Kontakt. Und Hamm hatte zuvor wirklich zwei gute Jahre. Mir war es auch wichtig, nach meiner langen Verletzung einfach mal wieder ein Jahr durchzuspielen. Mit 14 Toren und sieben Vorlagen war es dann auch ein gutes erstes Oberliga-Jahr. Ich denke, dadurch habe ich mir auch die Chance erarbeitet, mich mit Preußen Münster jetzt schon wieder bei einem Drittligisten zeigen zu können.

Sie hätten auch in der Jugend schon zu einem großen Club wie dem BVB oder Schalke wechseln können. Warum haben Sie sich erst so spät für den nächsten Schritt entschieden?

Grodowski: Ich war früher vom Kopf einfach noch nicht so weit. Ich wollte lieber bei der Familie sein und mit meinen Freunden spielen. Ich hatte damals auch noch nicht so die Motivation, jeden Tag Training zu haben. Im Nachhinein kann man natürlich auch nicht sagen, ob so ein Schritt vielleicht besser gewesen wäre. Dafür habe ich meine zweite Chance jetzt genutzt. Von daher muss ich da auch gar nicht mehr darüber nachdenken.

Der erste große Schritt führte Sie direkt nach England. Wie kam es dazu?

Grodowski: Wir waren damals mit dem PSV Bork im Trainingslager, um uns auf das Aufstiegsspiel für die Bezirksliga vorzubereiten. Und dann habe ich plötzlich eine englische Nummer in meinem Display gesehen. Bradford City kannte ich vorher ehrlich gesagt gar nicht. Aber als ich es gegoogelt und dann dritte Liga gelesen habe, dachte ich natürlich: super (lacht).

Mit dem Sprung nach England haben Sie plötzlich sechs Ligen höher gespielt. Wie schwer ist Ihnen dieser Schritt gefallen?

Grodowski: Natürlich ist Kreisliga etwas ganz anderes. Da war mein Gegenspieler auch mal 40 und ich konnte vor allem meine Schnelligkeit einfacher ausspielen. Und in England wird auch ein anderer Fußball gespielt. Dort gibt es viel mehr „Kick and Rush“ und es ist auch körperbetonter. In Deutschland ist es wesentlich taktischer. Da ich nicht so der bullige Stürmer bin, kommt mir das mehr entgegen.

Grodowski: „Vorher war ich wirklich ein kleiner, dünner Affe“

Was haben Sie aus Ihrer Zeit in England mitgenommen?

Grodowski: Ich habe vor allem körperlich zugelegt. In Bradford war Lukas Raeder, der jetzt bei Lübeck spielt, mein Mitbewohner. Der hat mich immer mit ins Fitnessstudio genommen. Vorher war ich wirklich ein kleiner, dünner Affe (lacht). Er hat mir auch viel in Sachen Ernährung gezeigt. Da achte ich jetzt auch viel mehr drauf. Dafür bin ich ihm auch immer noch sehr dankbar. Das hätte ich alleine so nie gemacht.

Jetzt sind Sie wieder in Deutschland. Bei Preußen Münster haben Sie sich im Testspiel gegen die U23 des BVB in einer frühen Phase der Vorbereitung verletzt. Was hatte das für Auswirkungen auf Ihren Start in den deutschen Profi-Fußball?

Grodowski: Das kann ich gar nicht so richtig sagen. Ich hatte zwar gehört, dass ich zu Beginn in den ersten Spielen einen guten Eindruck hinterlassen habe. Aber natürlich tut es weh, so früh bei einem neuen Verein erstmal zwei Monate raus zu sein. Aber ich stecke nicht auf. Das habe ich nie gemacht. Ich werde mich jetzt wieder voll reinhauen und alles für meinen Traum tun. Das kann ich auf jeden Fall sagen.

Beim PSV Bork haben Sie innerhalb von zwei Speilzeiten 94 Tore geschossen. Wie viele werden es denn in dieser Saison?

Grodowski: (lacht) Also da habe ich mir erstmal gar keine Ziele gesteckt. Für mich ist es erstmal wichtig, ein Spiel zu machen und in die Mannschaft reinzukommen. Deswegen will ich mir gar keine Marke setzen. Momentan versuche ich einfach, alle Tipps anzunehmen und mich zu verbessern. Und dann werden wir sehen, ob da auch ein paar Tore dabei rauskommen.

Woran müssen Sie noch arbeiten?

Grodowski: Die Defensivarbeit und die Arbeit gegen den Ball waren nicht unbedingt meine Stärke. Und das Kopfball-Spiel will ich noch verbessern. Ich bin ja auch 1,85 Meter. Dafür stehen noch nicht so viele Kopfballtore auch meiner Liste (lacht). Aber mit meiner Beidfüßigkeit und meiner Schnelligkeit kann ich der Mannschaft auch jetzt schon helfen.

Was ist denn allgemein für Preußen drin?

Grodowski: Wir haben eine sehr junge Truppe. Aber wir haben gegen Kaiserlautern gezeigt, die meiner Meinung nach zu den Aufstiegskandidaten gehören, dass wir auch nach zwei Rückstanden nochmal zurückkommen können und das Spiel am Ende sogar drehen. Das war schon ein geiles Spiel. Da kribbeln dir auf der Tribüne auch die Füße. Da haben wir auf jeden Fall gezeigt, dass wir Bock haben. Aber die Konkurrenz ist allgemein sehr groß. Deswegen muss es nicht unser Anspruch sein, aufzusteigen. Aber natürlich macht es mehr Bock, oben mitzuspielen. Mal gucken, wo es hingeht.

Ist die 3. Liga allgemein stärker geworden?

Grodowski: Mit Ingolstadt und Magdeburg sind in der vergangenen Saison zwei große Vereine in die 3. Liga abgestiegen. Und auch Mannheim und Uerdingen werden gut dabei sein. Die Qualität ist dieses Jahr schon echt gut. Und du hast viele Spieler, die sich auch noch für höhere Aufgaben zeigen wollen.

Mal ab vom Profi-Fußball – kommen Sie eigentlich noch dazu, mit Ihren Kollegen zu kicken?

Grodowski: In letzter Zeit hat es nicht so geklappt. Ich hatte fast jeden Tag zwei Mal Training und bin vor kurzem auch mit meiner Freundin umgezogen. Aber ich denke, wenn mal ein freier Tag ansteht, oder es in die Winterpause geht, ist es auch cool, mit den Jungs mal wieder in die Soccerhalle zu gehen. Da denke ich jetzt aber erstmal nicht dran.

Traum von der Bundesliga

Was machen Sie sonst gern in Ihrer Freizeit?

Grodowski: Ich unternehme gern was mit meiner Freundin. Sie geht sehr gern spazieren. Das ist jetzt nicht meine liebste Beschäftigung, aber für die Frau macht man natürlich viel (lacht). Außerdem machen wir viel mit unserer Familie. Vor allem mit meinem Bruder, seiner Frau und meinem Neffen. Familie ist für mich wirklich das Wichtigste.

Hat sich Ihr Leben durch den Profi-Fußball verändert?

Grodowski: Auf jeden Fall. In der Kreisliga hatte ich mit Fitness und Ernährung noch nicht so viel am Hut. Das spielt jetzt eine viel größere Rolle. Und natürlich dreht sich einfach sehr viel um den Fußball. Da bin ich auch unglaublich glücklich, dass ich eine Freundin habe, die mich dabei hundertprozentig unterstützt und immer, wenn es möglich ist, auch mit dabei ist. Das weiß sie zwar, das kann ich aber auch ruhig mal öffentlich sagen (lacht).

Sehen wir den Namen Grodowski irgendwann auf einem Bundesliga-Trikot?

Grodowski: Das ist natürlich der Traum von jedem Spieler, aber ich konzentriere mich jetzt erstmal auf Münster und will in der 3. Liga Fuß fassen.

Und könnten Sie sich vorstellen, nach Ihrer Karriere nochmal die Schuhe in der Kreisliga zu schnüren?

Grodowski: Das haben ja schon viele gemacht, irgendwann zum Heimatverein zurückkehren. Mein Ziel ist es auf jeden Fall, nach meiner Karriere Trainer zu werden. Ich habe auch längere Zeit Fußball-AGs an einer Grundschule gegeben. Das macht mir unglaublich viel Spaß. Ich will nach meiner Karriere auf jeden Fall weiter im Bereich Fußball arbeiten. Das ist einfach meine Leidenschaft. Und die wird auch nie vergehen. Da bin ich mir sicher.